Der neue Handelsimperialismus
Franz Rieder • Moderne Feudalherren, Die unsichtbare Hand (nicht lektorierter Rohentwurf) (Last Update: 20.05.2019)
Imperialismus
ist laut Duden das Streben von Großmächten nach einer
(militärischen, politischen und wirtschaftlichen)
Vormachtstellung, das mit rücksichtsloser, expansiver Politik
durchgesetzt wird. Expansion muss keine territoriale Größe
bezeichnen. Auch Ausdehnung politischer Macht etwa in exterritoriale
Rechtsgebiete verträgt der Begriff als eine Bestimmung. Wenn wir
also von einem neuen Handelsimperialismus sprechen, dann meinen wir
neu im Unterschied zu den territorialen Expansionsbewegungen der
europäischen Großmächte am Anfang des 20.
Jahrhunderts, in deren Verlauf u.a. zahlreiche Kolonien gegründet
wurden.
Heute bestimmen wir das imperiale Momentum im Handel als
eine politische Grenzüberschreitung, bei der die Interessen der
nationalen Volkswirtschaft gegen die ausländischer Unternehmen
durchgesetzt werden.
Hierzu gehören sowohl auf nationalem
Recht willkürlich gesetzte exterritoriale Sanktionsdrohungen,
exterritorial wirksame, nationale Rechtsanwendungen, Verbote,
Beschränkungen und Behinderungen usw., die alle zum Zwecke der
Behinderung oder der völligen Suspendierung von
Leistungswettbewerb dienen. Protektionismus ist also ein Teil davon
und kein begriffliches Substitut.
Wozu dieser neue Handelsimperialismus führen kann, konnte man bereits im Fall des kanadischen Flugzeugbauers Bombardier beobachten. Die Kanadier verkauften 2017 die Kapitalmehrheit an ihrer C-Serie an Airbus – auch um den von Washington bereits angedrohten Strafzöllen von 300 Prozent zu entgehen. Airbus will die Jets nun in Amerika zusammenbauen. Das ist ganz im Sinne des Oval Office‘.
Die exterritoriale Wirkung von US-Sanktionen konnte man imm Jahr 1995 erleben, als die USA mit dem sog.“Helms-Burton-Gesetz“1 sein Handelsembargo gegen Kuba auch auf ausländische Unternehmen auszuweiten. Oder mit dem „Iran Libya Sanctions Act“ von 1996, der den iranischen Energiesektor mit einem Embargo belegte und auch ausländische Firmen, die sich im Mullah-Staat geschäftlich engagierten, bestrafte.
Der neue Handelsimperialismus hat also nicht erst mit der Präsidentschaft von Trump begonnen. Sanktionen und Gegenmaßnahmen sind bereits seit zwanzig Jahren an der Tagesordnung. Die Europäer reagieren schon seit Jahren auf die Alleingänge der USA mit einer Anti-Boykott-Verordnung (EU 2271 96). Diese soll die europäischen Unternehmen davon abhalten, die von Washington installierten Sanktionen umzusetzen, soweit sie durch europäisches Recht nicht gedeckt sind. Im deutschen Außenwirtschaftsgesetz (Paragraf 7 AWG) findet sich eine nahezu gleichlautende Vorschrift. Zudem wollten die Europäer den Streit über exterritoriale US-Sanktionen auch vor dem Schiedsgericht der WTO klären lassen. Doch die USA blockierten das Vorhaben mit dem Hinweis, dass dies in die „nationale Sicherheit“ Amerikas eingreifen würde und die WTO deshalb darüber nicht zu befinden habe2.
Vollends
entfaltet sich der neue Handelsimperialismus auf dem Finanzsektor.
Mit dem sog. Patriot Act als eine der Auswirkungen des alles, auch
offene Lügen bei der Begründung des illegitimen
militärischen Einmarsches in den Irak legitimierenden
Terroranschlags von 09/11 im Jahr 2001 verschärften die USA ihre
Sanktionen vor allem gegen ausländische Banken.
Die
französische BNP Paribas erhielt eine Rekordstrafe von fast 9
Mrd. US-Dollar, weil sie nach US-Recht verbotene Transaktionen mit
Iran, Kuba und dem Sudan gemacht hatte. Man untersagte ihr weiterhin,
ein Jahr lang, Dollar-Clearing-Geschäfte im Öl- und
Gassektor vorzunehmen, was die Bank erheblich traf.3
Da die USA mit dem Dollar über die Weltleitwährung verfügen, was heißt, dass viele Geschäfte nur oder überwiegend in Dollar abgewickelt werden, vor allem im Energie- und länderübergreifenden Bankensektor, und das Clearing von Dollar-Transaktionen grundsätzlich dem amerikanischen Recht unterliegt, sind die Durchgriffsmöglichkeiten der US-Politik hier besonders groß. Das haben auch die Deutsche- und die Commerzbank schmerzlich zu spüren bekommen.
Der Iran und alle mit dem Iran geschäftlich verbundenen Unternehmen spüren die US-Sanktionspolitik massiv. Die USA verbieten effektiv den Einsatz von Dollar in fast jedem Iran-Geschäft, was die meisten Banken, die ja auch Geschäfte in den USA tätigen und so sofort dem Durchgriff der US-Justiz unterliegen, bei der Handelsfinanzierung und der Gewährung von Krediten an den Iran ausbremsen.
Selbst
noch gar nicht angewandte, aber beschlossene oder auch nur angedrohte
Sanktionen sedieren fast jede Geschäftstätigkeit mit dem
Iran.
„Vielen
Unternehmen wird gerade erst bewusst, dass sie möglicherweise
einen US-Bezug haben und
mit ihren Iran-Plänen somit unter die Genehmigungspflicht von
der US-Behörde Ofac fallen.“…“Amerikaner sind
da ziemlich erfinderisch. Und es gibt oft einen viel engeren
US-Bezug, als man glaubt“4,
denn es reicht bereits, wenn Mitarbeiter etwa in der
Innovationsabteilung eines deutschen Autobauers mit Kollegen aus
sanktionierten Staaten kooperieren, oder wenn Mitrabeiter
US-Staatsbürger
seien, eine US-Steuernummer oder Greencard hätten, das Geschäft
in US-Dollar abgewickelt werde und damit das Clearing in den USA
stattfinde. Selbst wenn nur Serverleistung aus den USA genutzt werde,
könnte schon die US-Justiz aufgerufen werden.
Und
was die ganze Situation noch erheblich erschwert, ist der Umstand,
dass Unternehmen, die sich aus Angst vor schmerzhaften Strafen sich
an US-Sanktionen halten wollen, anderseits aber mit deutschen oder
europäischen Rechtsauffassungen in Konflikt geraten, wie etwa
dem §7 Außenwirtschaftsgesetz.
In zunehmend mehr Fällen
verlangt Washington bei US-Geschäften, dass ausländische
Firmen sich nach dem amerikanischen Sanktionsrecht richten. Das
Abgeben einer solchen Erklärung aber ist nach deutscher
Außenwirtschaftsverordnung strafbar. Denn es verstößt
gegen das Boykottverbot. Mit diesem Dilemma werden die Unternehmen
meist alleingelassen.
„Das Thema ist in Unternehmen sehr
präsent, das treibt sie um. Ich halte das aber für
verfassungswidrig“, sagt Sanktionsexperte Kuhn. Das
Boykottverbot sei juristisch nicht ausreichend transparent, und es
gebe keine Rechtsprechung dazu.
Wir erkennen an diesen Sachverhalten, dass der Durchgriff der Politik auf die globalen wirtschaftlichen Handelsbeziehungen erheblich ist. Die Entwicklung der globalen Handelsbeziehungen ist der Entwicklung eines internationalen Rechts weitgehend enteilt und zwar eines internationalen Rechtssystems, dass zur Durchsetzung auch einer Machtorganisation bedarf, die sich der politischen Macht einzelner Staaten in Form von militärischer Macht und auch in der weltweiten Geld- und Finanzpolitik entgegensetzen kann. Ob diese Vorstellung einer Fortschreibung eines offensichtlich zur Genüge verbrauchten Status quo auf internationaler Ebene überhaupt praktikabel und auch zweckmäßig vernünftig ist, bedenken wir in einem späteren Kapitel.
Die unsichtbare Hand
Was
macht eine große Nation so endlos und über die Maßen
glücklich?
In der klassischen Lehre der Volkswirtschaft war
der Wohlstand der Nationen hauptsächlich geprägt durch
umsichtiges, politisches Handeln, so per Legislative die Bedingungen,
die eine Volkswirtschaft braucht, um wettbewerbsfähig zu sein,
über Grenzen hinweg Handel treiben zu können, eine hohe
Beschäftigungsquote nachhaltig zu sichern, wachsende Einkommen
und wirtschaftliches Wachstum zu synchronisieren und moderate, am
besten eine fast synchrone Summe von Wachstumsraten und Zinsen mit
einer entsprechenden Inflationsrate zu ermöglichen.
Wie dem
auch im Detail sei, es war immer ausgemacht in der Vergangenheit,
dass Geldpolitik im Kern national ist. Zumindest war außerhalb
der wissenschaftlichen Eliten in der Ökonomik klar, welche
Tragweite eine Leitwährung hat.
Der US-Dollar als die weltweite Leitwährung hat weltweit hinreichende, konstitutive Kraft. Er bestimmt nicht nur maßgeblich, was auf den weltweiten Märkten, den Finanzmärkten, aber auch den Handelsmärkten geschieht. Und damit territorial wie exterritorial auch über gründsätzliche, materielle Lebensbedingungen der Menschen weltweit. Als diese konkrete, unsichtbare Hand, bestimmt der Dollar auch alle jene Möglichkeiten einer Veränderung, die aus der Überzeugung erwachsen, dass Veränderung nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist.
Im derzeitigen Zustand der Polis weltweit, sind grundlegende Veränderungen in die Richtung einer „besseren“ Welt fundamental verbunden mit der Frage nach der Zukunft des Dollars als Leitwährung.
Leitwährung
meint zunächst einmal, dass dem Dollar bei allen Geldgeschäften
eine weltweite Dominanz zukommt, der sich weder der EURO noch der
chinesische Renminbi oder gar der japanische Yen entziehen oder gar
etwas fundamental Wirksames entgegensetzen kann. Der Dollar ist an
88% aller Devisentransaktionen beteiligt. Für den Euro gilt dies
nur zu 31%, und der chinesische Renminbi liegt mit 4% lediglich auf
dem achten Platz der am häufigsten gehandelten Währungen
weltweit.
Auch
bestehen 63% aller beim Internationalen Währungsfonds gemeldeten
Devisenreserven
aus Dollarreserven, nur 20% belaufen sich auf den Euro5.
Das globale Finanzsystem dreht sich vor allem um eine einzige Währung, den Greenback. Im Zuge der Finanzkrise 2007/2008 war es kaum verwunderlich, dass ausgerechnet die VRC den Dollar als Leitwährung in Frage stellte. Durch Chinas Politik der eigenen geldpolitischen Absicherung durch Dollar-Anleihenkäufe wurde Chinas Zentralbank zur wichtigsten Größe bei der Dollarabsicherung, verlor aber gleichzeitig durch die zeitliche Schwäche des Dollars erheblich an Wert ihrer Reserven.
Der chinesische
Zentralbankchef Zhou Xiaochuan erklärte es als zu gefährlich,
sich nur auf eine Währung eines einzigen Landes auf der Welt
geldpolitisch zu verlassen. Er schlug als Alternative die
Wiederbelebung eines 1969 geschaffenen Instruments des
Internationalen Währungsfonds (IWF) als ein im Prinzip
überhoheitliche Leitwährung vor.
Seiner Auffassung nach
hätte die 1969 geschaffenen Sonderziehungsrechte (SZR) des
Internationalen Währungsfonds (IWF) das Potenzial zur
internationalen Reservewährung.
Das
Sonderziehungsrecht ist eine künstliche Währungseinheit,
welche der IWF einführte, um zusätzliche Liquidität
für das internationale Finanzsystem zu schaffen. Das Instrument
verlor 1971 mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems. der festen
Wechselkurse seine Bedeutung. Der Wechselkurs des
Sonderziehungsrechts wird aber immer noch täglich durch einen
Währungskorb wichtiger Weltwährungen bestimmt. Seit 2006
umfasst der Korb 0,632 US-Dollar, 0,410 Euro, 0,0903 britische Pfund
und 18,4 japanische Yen. Als Maßstab des Gewichts einer Währung
dienen der Anteil der Länder am Weltexport und die Reserven der
IWF-Mitglieder in der entsprechenden Währung.
Kein Wunder,
dass China sich von der Wiederbelebung der Sonderziehungsrechte nicht
zuletzt ein grösseres Gewicht im IWF verspricht, also primär
eigenen Interessen folgt. Aber der Gedanke, das weltweite
Finanzsystem zu erneuern und dabei auf eine Leitwährung zu
verzichten, ist sicherlich reizvoll. Mehr noch, es wäre der
einzig richtige Ansatzpunkt, der ein neues Nachdenken über Geld,
Währung und Geldpolitik ermöglicht. Im Zusammenhang mit der
neuen virtuellen Währung Bitcoins und der darunter liegenden
Blockchain-Technologie kommen wir darauf zurück.
Einige Ökonomen waren der Meinung, die Finanzkrise könnte längerfristig den Dollar als weltweit wichtigste Leitwährung erschüttern. Einige Devisenexperten haben dem „Greenback“ bereits den Verlust seiner dominierenden Rolle im internationalen Währungsgefüge vorausgesagt. Die Gründe, die sie allen anführten, waren nicht nur der Verlust des Vertrauens in die USA als grösste Wirtschaftsnation und der entsprechende Wertverlust des Dollars, sondern auch das seit Jahren bestehende enorme US-Leistungsbilanzdefizit.
Wir haben aber gesehen, dass einmal diese Erschütterung der Leitwährung nur von kurzer Dauer war und dass auch die o.g. Gründe nicht ausreichen, um den inneren Kern einer Leitwährung zu verstehen. Dazu muss man bedenken, dass für jede US-Regierung der Dollar als Leitwährung und in dieser Dominanz im gesamten Finanz- und Geldsystem weltweit enorme Vorteile wie in einer unsichtbaren Hand mit sich bringt.
Diese Vorteile
liegen auf der Hand: Die US-Regierung kann sich zu niedrigeren
Zinssätzen verschulden, als andere Staaten bzw. Regierungen, da
ihre Schuldpapiere weltweit von Notenbanken in nicht unerheblichen
Volumina zu Reservezwecken gehalten werden müssen.
Weil
der Emittent der Leitwährung allein kraft seiner Grösse als
sicher empfunden wird, tätigen auch andere Investoren einen
Grossteil ihrer Anlagen im Dollar freiwillig, wie wiederum andere
Investoren, die sog. institutionellen
Investoren wie etwa amerikanische Rentenfonds etc. einen Anteil ihrer
Investments in Dollar halten müssen. Entsprechend liquide ist
deshalb auch Amerikas Kapitalmarkt. Und
diese hohe Liquidität hat wiederum deutliche Auswirkungen auf
die US-Aktienmärkte bis hin zu den Risikofinanzierungen der New
Economy, des Wagniskapitals für spekulative Investments in
Start-up Unternehmen bzw. Entrepreneurs6.
Der hohe Anteil an Reserve- und Dollar-Absicherungsanlagen drückt die Renditen zusätzlich und erlaubt es den USA, zu deutlich günstigeren Kosten ein höheres Handelsbilanzdefizit finanzieren zu können als andere Staaten; wovon, wie wir sahen, die USA in ihrer Geschichte auch weidlich Gebrauch machte und macht. Damit subventioniert das Ausland indirekt die sog. Zwillingsdefizite, d.s. Handel und Haushalt der USA. Ein weiterer politisch nicht unwichtiger Aspekt ist auch, dass der Dollar als Leitwährung den fast ausschließlich schuldenfinanzierten Lebensstil der US-Bürger ermöglicht, worauf das Ausland nicht selten mit artikulierten Groll reagiert hat.7
Moderne Feudalherren
Wir sprechen
über Seigniorage. Diese, gewollt oder ungewollt assoziativ
richtige Begriffsschöpfung stellt, gleichsam personifiziert, den
sog. „Münzgewinn“ vor. Der Begriff leitet sich aus
dem französischen Wort ’seigneur‘ für
Feudalherr bzw. Lehnsherr ab, da diese im Mittelalter das
ausschließliche Recht zur Münzprägung, das sogenannte
Münzregal hatten. Mit der Geldschöpfung bzw. der
Münzprägung war eine Wertsteigerung resp. Kosten verbunden.
die sich in jener Zeit aus dem Unterschied zwischen Metallwert und
Produktionskosten einerseits und dem Wert der ausgegebenen Münzen
andererseits ergab. Da der Feudalherr in der Regel das Prägemonopol
für Münzen hatte, fiel ihm auch dieser Seigniorage genannte
Gewinn zu.
So schöpft
die FED beim Druck von Dollar-Noten auch jedesmal einen pekuniären
Vorteil eines höheren Gewinns, den andere Notenbank nicht
schöpfen können und der sich prima vista aus der Differenz
zwischen den Produktionskosten und dem Nennwert einer Geldeinheit
ergibt. So kostet es die USA laut Fed nur etwas über 14 Cents,
um eine 100-Dollar-Note zu drucken.
Alle anderen Länder
müssen hingegen Güter oder Dienstleistungen im Wert von 100
Dollar anbieten, um einen solchen Geldschein zu erhalten.
Da von
einer Leitwährung, wie wir sahen, defacto auch im Ausland grosse
Mengen zirkulieren und die ja vorher durch die FED ausgegeben worden
sein müssen, fällt dieser einmalige Gewinn auch
entsprechend grösser aus. So schätzt die Fed, dass derzeit
die Hälfte bis zwei Drittel aller im Umlauf sich befindenden
Dollar im Ausland gehalten werden, was die vorher erwähnten
Zwillingsdefizite im Handel und Haushalt der USA durch entsprechende
Zwillingsgewinne aus der Geldschöpfung saldieren. Denn einziger
Nutznießer der Gewinne aus der Geldschöpfung in den USA
ist die US-Regierung.
Der Vorteil für die US-Regierung wird noch deutlicher, vergleicht man den Gewinn aus der Geldschöpfung der Notenbanken anderer Länder. Hier spricht man von fiskalischer Seigniorage und versteht darunter den Ertrag des Staates aus monetärer Seigniorage. Anders als in früheren Zeit, in denen auch Privatbanken das Recht zur Banknotenemission hatten, besteht heute fast überall ein Notenbankmonopol für die Schaffung von Bargeld. Bestand in früheren Zeite die fiskalische Seigniorage aus den Konzessionsabgaben der Privatnotenbanken für die Münzrechte an den ausgegebenden Staat, so kommt den Notenbanken heute nur ein Teil der Seigniorage zu. Dieser Teil errechnet sich aus dem Wert der ausgegebenen Banknoten, die als Zentralbankgeldguthaben Zinsgewinne auf den Finanzmärkten erzielen.
Die Zentralbanken sind also mit den zur Erzielung von Zinsgewinn beorderten, nachgeordneten staatlichen Einrichtungen zuallererst einmal große Finanzmarktspekulanten (was diese ungern hören und lautstark bestreiten würden), deren „virtuelle“ Gewinne die staatlichen Regierungsinstanzen für deren haushalterische Verwertung schon mal rappeldoll machen können. So entstand bereits in den Jahren vor der Finanzkrise eine laute Diskussion über die Seniorage und deren Verwendung einerseits und andererseits bis heute eine andauernde Auseinandersetzung darüber, ob es eine Seniorage zu nennende Gewinnerzielung des Staates über Notenbankgeld überhaupt gibt, welche Größe sie hat und wo sie, wenn überhapt, entsteht?
Bereits
im Jahr 2005, also sechs Jahre nach der Umstellung von DM auf Euro in
Deutschland8
klagte die Deutsche Bundesbank über entgangene
Seignioragegewinne in erheblichem Ausmaß. 40 Prozent aller
Euro-Banknoten – fast 200 Milliarden Euro – stammten
demnach von der Bundesbank. Bei der Verteilung der monetären
Einkünfte im Eurosystem wurden der Bundesbank aber erheblich
weniger,
nur rund 27 Prozent, zugeschrieben, was einem Banknotenwert von rund
136 Milliarden Euro entsprach.
Die
davon errechneten Einnahmeausfälle der Bundesbank belaufen sich
in Millionenhöhe, gleichzeitig führte sie im Saldo etwa 90
Millionen Euro an (bilanzierten) Einkünfte an die EZB ab von
einem Jahresüberschuss von insgesamt fast 250 Millionen Euro,
was einem Anteil von 36% entspricht.
Seigniorage oder Geldschöpfungsgewinne entstehen in der neuen Eurozone als Zinseinnahmen dadurch, daß Notenbanken (unverzinstes) Bargeld, also Notenbankgeld gegen verzinste Wertpapiere ausgeben. Sie werden zwischen den Notenbanken des Eurosystems – der EZB und den zwölf Notenbanken der Euro-Staaten – seit der Euro-Bargeldeinführung im Jahr 2002 aufgeteilt. Der EZB, in deren Auftrag die nationalen Notenbanken Geldscheine ausgeben, stehen, so vereinbart, die Geldschöpfungsgewinne aus 8% der Banknoten zu; der Rest wird zwischen den nationalen Notenbanken nach wirtschaftlicher Größe und Bevölkerungszahl aufgeteilt. Der Bundesbank wurden rund 27 Prozent aller umlaufenden Banknoten zugeschrieben, was aber bereits 2003 sich als zu niedrig erwies.
Die Aufteilung der Seigniorage wurde zu einer Umverteilung. Schon vor der Währungsunion war bereits bekannt, daß die Bundesbank in der Verteilung der monetären Einkünfte aus Banknoten im Eurosystem zum Nettozahler würde. Und die Frage, warum die Bundesbank und mit ihr die deutsche Regierung dem zugestimmt haben, bleibt bis heute offiziell unbeantwortet und erzeugt einige Mutmaßungen, dass diese Netto-Umverteilung in Europa der Deutschen Einheit geschuldet ist.
Die Umverteilung ergab sich, weil die Bundesbank überdurchschnittlich mehr Bargeld und damit Seignioragevermögen in die Währungsunion einbrachte als andere Notenbanken. Für das Jahr 2004 und den kommenden Jahren musste die Bundesbank im Rahmen dieser Umverteilung noch größere Summen an das Eurosystem abführen als in 2003. Dafür sorgte ein Ausgleichsmechanismus, der die anteiligen Zahlungsverpflichtungen der Bundesbank bis 2008 größer werden ließ.
Zu diesem
Zeitpunkt waren die Betrachtungen und Berechnungen der Seigniorage
überwiegend bestimmt von einer monetaristischen Betrachtung,
die, im Gegensatz zum Keynesianismus, nicht von einer
nachfrageorientierten Sichtweise ausging, sondern, im Gegenteil, von
einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik sowie der
Quantitätstheorie des Geldes. Der Monetarismus geht von einer
relativ stabilen Geldnachfrage aus und sieht in der Regulierung der
Geldmenge die wichtigste Stellgröße zur Steuerung des
Wirtschaftsablaufes: „Money matters“, was heißen
soll: allein auf die Geldmenge kommt es an, steht an der Basis einer
langfristigen Betrachtung der neoklassischen Vorstellung eines
grundsätzlich stabilen Wirtschaftsablaufs.
Eine zu starke
Ausdehnung der Geldmenge darin führe demnach zu Inflation, eine
zu starke Bremsung des Geldmengenwachstums zu Deflation. Kurzfristige
Eingriffe des Staates zur punktuellen Steuerung der Wirtschaft wie im
Keyesianismus werden abgelehnt.
Nach
dieser Betrachtungsweise war die Höhe der gesamten Seigniorage
vom nominellen Zinssatz und der Nachfrage nach Notenbankgeld bis zum
Einbruch der Finanzkrise 2007/2008 abhängig. Es stellte sich
deshalb die Frage, welcher Zinssatz für die Messung der
Seigniorage massgebend ist. Eine Notenbank kann grundsätzlich
die gesamte Notenbankgeldmenge durch den Ankauf von inländischen
Staatspapieren schaffen, so dass ihre Aktiven weder einem
Bonitätsrisiko noch einem Wechselkursrisiko ausgesetzt sind.
Für
die Berechnung des Ertrages, der ausschließlich als Folge des
Notenmonopols entsteht, war es daher richtig, eine solche risikolose
Aktivenstruktur der Notenbank anzunehmen. In diesem Fall werden auch
Gewinne und Verluste auf Aktiven der Notenbank als Folge von
Zinsveränderungen innerhalb des staatlichen Sektors
ausgeglichen.
Der
Zinssatz für langfristige Staatspapiere mit einer über die
Zeit anpassbaren Verzinsung wäre folglich der richtige Zinssatz,
um den Umfang der Seigniorage zu bestimmen. Der Nominalzinssatz
entspricht der Summe von Realzinssatz und Inflation. Die Notenbank
konnte die Seigniorage beeinflussen, indem sie die Inflationsrate
veränderte. Da aber die Nachfrage nach Notenbankgeld negativ vom
Nominalzins und somit von der Inflationsrate abhing, konnte die
Notenbank die Seigniorage nicht beliebig erhöhen. Mit
zunehmender Inflation wird nämlich die Notenbankgeldmenge
kleiner, so dass das Produkt von und ab einer bestimmten
Inflationsrate kleiner wird.
Die Nachfrage nach Notenbankgeld
wurde aber nicht nur durch die Inflationsrate bestimmt. Der
technische Fortschritt im Zahlungsverkehr (Kreditkarten, Electronic
Money, Clearingsysteme usw.) kann zu einer Verminderung der Nachfrage
nach Notenbankgeld führen. Die Nachfrage nach Notenbankgeld
wurde zudem auch durch gesetzliche Faktoren bestimmt wie z.B. die
Vorschriften über die Mindestliquidität von Banken.
Bereits mit der Schaffung der Eurozone waren diese auf die nationalen monetären Betrachtungen basierenden Bestimmungen der Seigniorage schwer ins Schwanken gekommen. Die Jahresbilanz der Bundesbank aus 2004 ließ einen mögliche Gewinn als Folge der Dollar-Schwäche und der niedrigen Zinsen sehr niedrig ausfallen. Allein auf ihre Währungsreserven musste die Bundesbank Abschreibungen von rund 2 Milliarden Euro vornehmen. Als Folge des Verlusts der Europäischen Zentralbank (EZB) führte die Bundesbank zudem rund 396 Millionen Euro an monetären Einkünften an die EZB ab.
Wir erkennen an dieser Stelle schon, dass eine Seigniorage auch von exterritorialen, also von Veränderungen des Aussenwertes von Währungen abhängt, von den Aktiva der Zentralbanken und wie wir bereits angedeutet haben, von der exterritorialen Wirkung der Leitwährung US-Dollar.
Anmerkungen:
1 Helms-Burton-Gesetz,
benannt nach dem republikanischen Abgeordneten Jesse Helms und
seinem demokratischen Kollegen Dan Burton. Dadurch verschärfte
sich die US-amerikanische Blokkadepolitik gegenüber dem Iran,
Irak und Libyen und vor allem gegenüber Kuba. Das Gesetz
verkörpert eine neue Qualität amerikanischer
Großmachtpolitik.
Zuvor bestimmte die Exekutive über
die einzelnen Sanktionen, nun haben sie Gesetzescharakter. Besonders
brisant sind die Kapitel lll und IV des Gesetzes. Darin ist die
exterritoriale Ausweitung der Sanktionen auf Drittländer und
internationale Finanzorganisationen festgeschrieben. Mit anderen
Worten: Amerikanisches Recht bricht internationales Recht und
schränkt die staatliche Souveränität anderer Länder
ein. Allein der Präsident der Vereinigten Staaten kann die
angedrohten Strafmaßnahmen halbjährlich aussetzen, was er
regelmäßig getan hat. Zeit Online vom 23. Januar 1998
2 Vgl. Handelsblatt print: Nr. 203 vom 20.10.2017
3 Clearing:
gegenseitige Auf- und Verrechnung von Forderungen und
Verbindlichkeiten zwischen gleichen Partnern.
Im Zahlungsverkehr
(Interbanken-Clearing): Verfahren der Übermittlung, der
Abstimmung und in einigen Fällen auch die Bestätigung von
Zahlungsaufträgen vor dem Zahlungsausgleich; dies entspricht im
dt. Sprachgebrauch dem Begriff der Zahlungsverkehrsabwicklung. Das
Clearing kann auch die Aufrechnung und Saldierung der Positionen mit
anschließendem Zahlungsausgleich der Nettobeträge
umfassen (auch als Abrechnung, Skontration oder Settlement
bezeichnet). Für das Clearing gibt es mehrere
Möglichkeiten:
(1) Beim internen Clearing
(Inhouse-Zahlungen) erfolgt die Verrechnung zwischen Filialen einer
Bank oder innerhalb einer Institutsgruppe (z.B. im Kreditbanken-,
Sparkassen- oder Genossenschaftssektor).
(2) Im bilateralen
Austausch sind zwei Kreditinstitute beteiligt, die Verrechnung
erfolgt zumeist über Zentralbank-Konten.
(3) Eine Auf- und
Verrechnung kann auch über Clearingsysteme erfolgen wie die
Deutsche Bundesbank sie im Rahmen des Europäischen Systems der
Zentralbanken (ESZB) anbietet (z.B. TARGET2).
Im
Wertpapierclearing/Derivateclearing: Im Derivate- und
Wertpapierhandel werden Käufe und Verkäufe zwischen den
Handelspartnern entweder bilateral oder über das Clearingsystem
einer zentralen Gegenpartei abgewickelt. Die Mitglieder eines
Clearingsystems müssen dabei bestimmte Anforderungen erfüllen
und für ihre individuellen Geschäfte Sicherheiten stellen.
Dabei tritt die zentrale Gegenpartei als Risikomanager für die
beteiligten Handelspartner auf. In Deutschland sind mit der Eurex
Clearing AG und der European Commodity Clearing AG zwei
Tochtergesellschaften der Deutschen Börse AG als zentrale
Gegenparteien zugelassen.(Vgl Gabler Wirtschaftslexikon)
4 Sascha Kuhn, Partner und Wirtschaftsstrafrechtler bei der Kanzlei Simmons & Simmons in Düsseldorf
5 Laut Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich(BIZ)
6 Das
Wort Entrepreneur kommt ursprünglich aus dem Französischen
und setzt sich aus den Wörtern „entre“ und
„prendre“ zusammen, was so viel bedeutet wie
„unternehmen“.
Ein Entrepreneur im klassischen Sinn
ist der Gründer und Inhaber eines Unternehmens. Im Englischen
beschreibt das ursprünglich französische Wort Entrepreneur
eine Persönlichkeit, die bereit dazu ist, hohe Verantwortung
und hohes Risiko zu tragen. Es geht beim dem Wort Entrepreneur also
nicht nur um die stumpfe Übersetzung zum Unternehmer, sondern
auch um Charakter, eine gewisse Lebenseinstellung und die Fähigkeit
immer wieder neue Innovationen hervorzubringen. In Anlehnung an
Schumpeter bezieht sich Entrepreneurship aber vor allem auf die
kreative Zerstörung bestehender Strukturen, um Innovationen
hervorzubringen, welche in der Regel durch Neuanordnung bestehender
Inhalte erfolgt. Entrepreneurship als Handlungsfeld eines
Entrepreneurs gilt inzwischen als erlernbares Denkprinzip, das auch
von „normalen“ Managern erlernt und umgesetzt werden
kann.
7 Vgl. zum Begriff Leitwährung auch Neue Züricher Zeitung vom 4.11.2016
8 Die neue Währung Euro wurde am 1. Januar 1999 in Europa eingeführt. Sie ersetzte in Belgien, Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Spanien und in Griechenland die nationalen Währungen. Bis zum 1. Januar 2002 gab es den Euro aber ausschließlich als "Buchgeld". Das heißt, Schecks, Überweisungen und Lastschriften konnten schon in Euro ausgestellt werden, Konten und Sparbücher wahlweise in Mark oder Euro geführt werden. Wertpapiere wurden an den Börsen nur noch in Euro gehandelt. Ab dem 1. Januar 2002 wurde der Euro auch als Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel.
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